Die wachsende Anzahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland, in Verbindung mit einem Mangel an ausreichendem Pflegepersonal, stellt eine der drängendsten Herausforderungen im Gesundheitswesen dar. Vor diesem Hintergrund soll das Personalbemessungsverfahren[1] (PeBeM) dazu beitragen die Qualität der Pflege zu verbessern und knappe Personalressourcen besser zu verteilen.

Ausgangslage

Die demografische Entwicklung, insbesondere die zunehmende Anzahl älterer Menschen, führt zu einem kontinuierlichen Anstieg der Pflegebedürftigen. Gleichzeitig bleibt das Angebot an qualifiziertem Pflegepersonal deutlich hinter dem steigenden Bedarf zurück. Das folgende Diagramm verdeutlicht die drastische Situation. Für den Zeitraum von 2021 bis 2050 wird eine Steigerung der Pflegebedürftigen um 51 % prognostiziert.

Im Vergleich zeigt die Betrachtung des Personals in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten, dass die Beschäftigungsentwicklung lediglich von einem minimalen Wachstum gekennzeichnet ist. Im Gegenteil, dieses Wachstum nimmt seit dem Jahr 2015 kontinuierlich ab.

Um der Problematik zu begegnen, erfordert es langfristige Lösungsansätze und Investitionen seitens der Politik. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, eine angemessene Vergütung für Pflegekräfte und gezielte Maßnahmen zur Gewinnung von Nachwuchskräften sind entscheidend. Gleichzeitig sollten verstärkte Anstrengungen unternommen werden, um innovative Pflegekonzepte zu fördern, die die Pflegebedürftigen unterstützen und gleichzeitig das Pflegepersonal entlasten.

Ein Lösungsansatz zur Bewältigung genannter Problematik, die wachsende Anzahl an Pflegebedürftigen bei gleichzeitig abnehmendem Bestand an Pflegefachpersonal, besteht in der Einführung des PeBeMs.

Personalbemessung in der Pflege

PeBeM, ein Verfahren zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen, ist zum 01. Juli 2023 in Kraft getreten und löst die bisher geltende Fachkraftquote ab. Im Zuge des Pflegestärkungsgesetz II sollte ein wissenschaftlich fundiertes Verfahren zur Bemessung des tatsächlichen Personalbedarfs in der stationären Pflege entwickelt werden. Der Gesundheitsökonom Heinz Rothgang von der Universität Bremen erhielt den Auftrag dafür. Seine Erkenntnisse bilden die Grundlage des § 113 c SGB XI.[4]

Die neue Herangehensweise sieht eine bedarfsgerechte Personalplanung vor. Es erfolgt zunächst eine Einteilung des Personals in drei Qualifikationsstufen:

  • Pflegeassistenten ohne Ausbildung,
  • Mitarbeiter mit einer mindestens 1-jährigen Pflegeausbildung und
  • examinierte Pflegefachkräfte mit einer 3-jährigen Ausbildung.

Demnach werden Arbeitsabläufe zukünftig im Interesse von Bewohnern und Mitarbeitenden zeitgemäß und kompetenzbasiert neu gedacht. Pflegefachkräfte nehmen zukünftig eine stärker delegierende und koordinierende Rolle wahr, sollen selbst nur noch vorbehaltene Aufgaben nach § 4 Pflegeberufegesetz (PflBG) erfüllen. Ziel ist es, die Qualität der Pflege zu verbessern und begrenzte Personalressourcen effizienter einzusetzen. Die Maßnahme hat zudem zum Ziel, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten.

Zurzeit befinden wir uns in einer Übergangsperiode, welche bis zum 01. Juli 2025 andauert. Es liegen keine Durchführungsverordnungen für die einzelnen Bundesländer vor, zudem lassen sich landesspezifische Mindestausstattungen über die Rahmenverträge mit angepasster Pflegefachkraftquote für einzelne festgelegte Funktionen verhandeln. Pflegegradunabhängige Stellen, wie zum Beispiel die der Pflegedienstleistung oder Qualitätsbeauftragten, können einzeln vereinbart bzw. erhöht und auch um weitere Funktionen ergänzt werden.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Gesetz zwar personelle Ausstattungen für die einzelnen Pflegegrade und Qualifikationsstufen vorsieht, von diesen jedoch landesspezifisch abgewichen werden kann. Modellprojekte wurden angestoßen, enden allerdings ebenfalls erst 2025, sodass sich eine Orientierung an diesen in der Praxis schwierig gestalten wird. Zurzeit kann jede Einrichtung entscheiden, ob sie bei der jetzigen Vereinbarung bleibt oder nach PeBeM umstellt, ein bunter Flickenteppich an Lösungen in Deutschland entsteht.

Das von PeBeM angestrebte „Aufbrechen etablierter Arbeits- und Organisationsprozesse“[5] kann nur schwierig umgesetzt werden, solange es an konkreten Handlungsanweisungen und Beurteilungsleitlinien durch die Heimaufsicht und den Medizinischen Dienst fehlt. Die unterschiedliche Handhabung der einzelnen Bundesländer bezüglich der Qualifikationsebenen und der Anerkennung von beispielsweise Pflegefachkräften, Sozial- und Ergotherapeuten führt zu einer undurchsichtigen Komplexität. Dies hemmt die Umsetzung auf Betreiberebene. Kritiker betiteln den PeBeM-Ansatz als „praxisfern“. So gilt es, den Qualifikationsmix tagesaktuell zu ermitteln. Im Falle eines Todesfalles eines Bewohners mit Pflegegrad 5 verschiebt sich folglich der geforderte Qualifikationsmix an das gesamte Team. Betreibern fehlt es an nötigem Mitarbeiterzulauf, um derart flexibel planen und arbeiten zu können.

Es fehlt dem Markt nicht nur an Fachkräften, auch Pflegekräfte ohne Ausbildung sind nicht in ausreichender Anzahl vorhanden, um den geforderten Qualifikationsmix zu erfüllen.

Dies belegt auch unsere Umfrage im Zeitraum von Juni bis Juli 2023 unter 50 teilnehmenden Betreibern (Insolvenzen, Einbruch der Neubauten, starker Anstieg der Sozialhilfe in der Pflege – Stimmen aus der Branche). Seit vielen Jahren wird über den Fachkräftemangel berichtet, allerdings wird wenig getan, um hier Abhilfe zu schaffen.[6] Allein mit Mitarbeitern aus Deutschland wird sich dieses Problem nicht lösen lassen. Den Brancheninsidern ist klar, dass eine Verdoppelung der Anzahl der Pflegebedürftigen innerhalb von 10 Jahren auch zu einer sehr starken Erhöhung des Bedarfs an Pflegekräften führen wird. Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz von 2019 sah eine Finanzierung von 13.000 zusätzlichen Stellen in Pflegeheimen vor, von denen allerdings bisher nur 20 % besetzt wurden.[7]

Handlungsempfehlungen

Unserer Ansicht nach muss die Politik zur Unterstützung der Unternehmen schnellstmöglich Lösungen finden. Mit einem eindringlichen Appell gehen aus unserer Umfrage folgende Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen hervor:

Um das medizinisch geschulte Personal effizient einsetzen zu können und Belegungstopps, welche mit Liquiditätseinbußen einhergehen, zu vermeiden, sollte eine Neuregelung der Fachkraftquote beschlossen werden. Dies beinhaltet auch eine Reform des Einsatzes von pflegerisch geschultem Hilfspersonal. PeBeM kann ein Anfang sein, allerdings fehlt es hier noch an praxistauglichen Umsetzungsvorschlägen.

Es gilt außerdem, die Hürden bei der Rekrutierung ausländischer Fach- und Hilfskräfte schnellstmöglich zu reduzieren. Der Föderalismus steht diesem im Weg, es benötigt einheitliche Regelungen auf Bundesebene. Alleingänge einzelner Bundesländer helfen nicht weiter. Nicht nur Rekrutierung, auch Anerkennungsverfahren müssen vereinheitlicht und somit beschleunigt werden. Der derzeit geltende Bürokratieaufwand hemmt und führt nicht selten zu einer Heimkehr der Fachkräfte noch ehe ihre Qualifikation anerkannt wurde.

Die Politik scheint die Probleme nicht wahrzunehmen. Es empfiehlt sich, ein aktiver Austausch mit den Betreibern, um den Ernst der Lage zu erfassen.  Um langfristige Versorgungssicherheit zu gewährleisten, bedarf es an einer Planungssicherheit für die Investoren. Ansonsten fehlen in den nächsten 25 Jahren mehr als 100.000 Plätze für schwerstpflegebedürftige Menschen und eine Vielzahl an Pflegekräften.

Das Problem ist keins der Allokation. Mit der Einführung des PeBeM werden Pflegebetreiber vor eine weitere bürokratische Hürde gestellt, die wichtige Ressourcen binden wird.

Über die Autorin

Kristina Schröder

Durch meine vorangegangene Tätigkeit als Geschäftsführerin eines sektorübergreifenden Pflegebetreibers und mehr als sieben Jahre Erfahrung im Pflegesektor verfüge ich über umfassende praktische Einblicke, die es mir ermöglichen, Entwicklungen im Pflegemarkt praxisnah und fundiert für Sie zu analysieren und einzuordnen.

Quellenverzeichnis

[1] Quelle: Rothgang et al. (2020): Abschlussbericht im Projekt Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI (PeBeM), https://www.gs-qsa-pflege.de/wp-content/uploads/2020/09/Abschlussbericht_PeBeM.pdf; zuletzt zugriffen am 07.11.2023.

[2] Quellen: Statistisches Bundesamt (Destatis) (2023): Pflegevorausberechnung: 1,8 Millionen mehr Pflegebedürftige bis zum Jahr 2055 zu erwarten, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/03/PD23_124_12.html, zuletzt zugegriffen am 13.12.2023; Statistisches Bundesamt (Destatis) (2022): Pflegestatistik – Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/Publikationen/Downloads-Pflege/pflege-deutschlandergebnisse-5224001219005.xlsx?__blob=publicationFile, zuletzt zugegriffen am 13.12.2023.

[3] Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) (2022): Personal in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/Tabellen/personal-pflegeeinrichtungen.html, zuletzt zugegriffen am 13.12.2023.

[4] Quelle: Rothgang et al. (2020): Abschlussbericht im Projekt Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI (PeBeM), https://www.gs-qsa-pflege.de/wp-content/uploads/2020/09/Abschlussbericht_PeBeM.pdf; zuletzt zugriffen am 07.11.2023.

[5] Quelle: Rothgang et al. (2020): Abschlussbericht im Projekt Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben gemäß § 113c SGB XI (PeBeM), https://www.gs-qsa-pflege.de/wp-content/uploads/2020/09/Abschlussbericht_PeBeM.pdf; zuletzt zugriffen am 07.11.2023.

[6] Quelle: pm pflegemarkt.com (2023): Insolvenzen, Einbruch der Neubauten, starker Anstieg der Sozialhilfe in der Pflege – Stimmen aus der Branche, https://www.pflegemarkt.com/fachartikel/branchenstimmen-dramatische-situation-pflege/), zuletzt zugegriffen am 13.12.2023.

[7] Pflegen Online (2023): Traum von zusätzlichen 13.000 Pflegekräften, https://www.pflegen-online.de/traum-von-zusaetzlichen-13000-pflegekraeften-zerplatzt, zuletzt zugegriffen am 13.12.2023.