Das Pflegeberufegesetz (PflBG) aus dem Jahr 2020 legte den Grundstein der neuen und fortan geltenden generalistischen Pflegeausbildung. Unter der Bezeichnung Pflegefachkraft wurden die bisher etablierten Ausbildungen zum Alten- und Krankenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Kinderkrankenpfleger zusammengefasst. Die Pflegekräfte werden nach einem einheitlichen Curriculum ausgebildet und erhalten durch mehrwöchige Praktika Einblicke in andere Sektoren (beispielsweise Akut- und Langzeitpflege, Pädiatrie, Psychiatrie). Dieses Gesetz sollte damals dazu beitragen, den Beruf attraktiver zu gestalten und die Ausbildungszahlen in der Pflege zu erhöhen. Die gewünschte Wirkung trat nicht ein. Umfragen zeigen weitere Rückgänge in den Ausbildungszahlen im Pflegebereich. Die Betreiber klagen über Auszubildende, die kaum im eigenen Betrieb sind. Auch die nun geltenden anspruchsvolleren Einstiegsstandards in der Pflege sind umstritten. Loben die Befürworter die daraus resultierenden höheren Qualitätsstandards, beklagen die Ausbildungsbetriebe den nun stark dezimierten Kreis an potenziellen Auszubildenden und die entsprechend rückläufigen Bewerbungen.[1]

Neue Gesetzesentwürfe für die Pflege

Prof. Dr. Karl Lauterbach verkündete kürzlich zwei weitere Gesetze, welche das Ziel, den Pflegeberuf zukünftig attraktiver zu gestalten, stützen sollen. Zum einen den Entwurf für das Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG), welcher im Dezember 2023 veröffentlicht wurde. Dem Namen des Gesetzes ist das Ziel bereits zu entnehmen: Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung und Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege.[2]

Zum anderen hat Prof. Lauterbach am 19.12.2023 ein Eckpunktepapier für die Kompetenzerweiterung in der Pflege veröffentlicht – das Pflegekompetenzgesetz. Trotz des hohen Ausbildungsstandards deutscher Pflegekräfte und jährlicher Pflichtfort- und Weiterbildungen ist die eigenständige Arbeit am Patienten hinsichtlich der medizinischen Versorgung bislang stark eingeschränkt bzw. bedarf einer vorherigen ärztlichen Verordnung. Das geplante Gesetz zielt darauf ab, den Entscheidungsspielraum für ausgebildete Pflegekräfte zu erweitern. Folgende vorläufige Eckpunkte wurden festgelegt:

  • Die Verordnung von Leistungen für die häusliche Krankenpflege,
  • die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln,
  • die Feststellung der Pflegebedürftigkeit und
  • das Berufsbild der Advanced Practice Nurse, welches nach internationalen Vorbildern in Deutschland etabliert werden soll.[3]

Das Gesetz spricht den Pflegekräften mehr Entscheidungskraft zu. So könnten die Pflegenden, die im Alltäglichen näher am Patienten sind, in seinem Sinne entscheiden und entsprechend therapieren.[4] Die Rolle der Pflegefachkraft wird gestärkt, da diese sich fortan stärker einbringen darf. Der bisher übliche Usus, dass Pflegekräfte eine schriftliche Verordnung digital, telefonisch oder teils noch per Fax anfordern müssen bevor mit der Versorgung begonnen werden darf, wird abgelöst. Dies ist längst überfällig, da der Arzt ohnehin auf eine detaillierte Darlegung durch die Pflegekraft angewiesen ist, bevor er eine Therapieentscheidung treffen kann. Dies liegt insbesondere daran, dass der Arzt oft nur begrenzte Kenntnisse über den Patienten im häuslichen Umfeld hat und somit auf die Einschätzungen der Pflegekraft angewiesen ist.

Auch bei der Pflegebegutachtung könnte das Gesetz weitreichende Folgen haben. Derzeit wird die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst vollzogen. In Zukunft könnte dies durch den Pflegedienst oder das Pflegeheim selbst durchgeführt werden. Folglich könnte schneller agiert werden, was die Wartezeiten verkürzen und die allgemeine Versorgung verbessern würde.

Derzeit ist das Gesetz auf die stationäre und ambulante Pflege ausgerichtet, denkbar ist eine Ausweitung auf alle Sektoren im Gesundheitswesen. Die Krankenhausreform[5] sieht mit ihrem Vorschlag der Level 1i-Krankenhäuser eine „wohnortnahe medizinische Versorgung durch eine Bündelung interdisziplinärer und interprofessioneller Leistungen[6]“ vor, welche erstmals eine pflegerische Leitung zulässt.[7]

Erste Eckpunkte von Karl Lauterbach sind nun veröffentlicht und eine große Zustimmung in der Branche ist zu vernehmen. Das Gesetz verfolge das richtige Ziel, der Großteil der Verbände spricht sich für diesen Vorschlag aus.[8]

Um sicherzustellen, dass der geplante Gesetzesentwurf, welcher für das erste Halbjahr 2024 angekündigt ist, nicht lediglich als eine weitere Akte in den unendlichen Weiten der Bürokratie verschwindet, ist es von entscheidender Bedeutung, dass er nicht nur abstrakte Richtlinien enthält, sondern auch konkrete und präzise Handlungsempfehlungen ausspricht. Nur durch klar definierte Maßnahmen und Schritte kann gewährleistet werden, dass das Gesetz effektiv umgesetzt und sein beabsichtigter Zweck erfüllt wird.

Dieser Schritt ist längst überfällig. In Zeiten des Fachkräftemangels, des demographischen Wandels und dem Anstieg der Pflegebedürftigkeit bedarf es dringend einer Neuausrichtung der Pflege.

Spannend bleibt, wie der Markt und seine vertrauten Strukturen auf das Gesetz reagieren. Welchen Einfluss hat es auf die Kommunikation zwischen Pflegekräften und Ärzteschaft, wenn dem Pflegepersonal Befugnisse gegeben werden, die bisher nur bei der Ärzteschaft lagen. Führt es zu organisatorischen Umstellungen bei Homecare Anbietern, wenn diese zukünftig nicht mehr in jeglichen Belangen auf ärztliche Verordnungen angewiesen sind? Laut Lauterbach hat die Ärzteschaft inzwischen erkannt, dass es angesichts der demografischen Entwicklung notwendig ist, sich vom alten Selbstverständnis der „Halbgötter in Weiß“ zu trennen.[9]

Wünschenswert wäre, dass die Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege nicht nur als Teilbereich betrachtet, sondern ebenfalls fokussiert angegangen wird. Außerhalb Deutschlands gibt es zahlreiche Anwärter, welche von den neuen Gesetzen profitieren würden. Die Zeit drängt. Es bleibt zu hoffen, dass das Eckpunktepapier als Gesetz verabschiedet und schnellstmöglich verwirklicht wird.

Über die Autorin

Kristina Schröder

Durch meine vorangegangene Tätigkeit als Geschäftsführerin eines sektorübergreifenden Pflegebetreibers und mehr als sieben Jahre Erfahrung im Pflegesektor verfüge ich über umfassende praktische Einblicke, die es mir ermöglichen, Entwicklungen im Pflegemarkt praxisnah und fundiert für Sie zu analysieren und einzuordnen.

Quellenverzeichnis

[1] Quelle: Care vor9 (2024): Die generalistische Ausbildung hat der Altenpflege geschadet, https://www.carevor9.de/care-inside/die-generalistische-ausbildung-hat-der-altenpflege-geschadet, zuletzt zugegriffen am 07.03.2024.

[2] Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (2023): Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG), https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/detail/pflegestudiumstaerkungsgesetz-pflstudstg.html, zuletzt zugegriffen am 07.03.2024.

[3] Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (2023): Lauterbach: Wir machen einen Neustart für die Pflege, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/lauterbach-wir-machen-einen-neustart-fuer-die-pflege-19-12-23, zuletzt zugegriffen am 07.03.2024.

[4] Quelle: ZEIT ONLINE (2023): Lauterbach will Pflegekräften mehr medizinische Kompetenzen geben, https://www.zeit.de/gesundheit/2023-12/pflegekompetenzgesetz-karl-lauterbach-pflegekraefte-kompetenzen-aerzte, zuletzt zugegriffen am 07.03.2024.

[5] Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (2024): Krankenhausreform, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenhaus/krankenhausreform, zuletzt zugegriffen am 07.03.2024.

[6] Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (2023): Fragen und Antworten zur Krankenhausreform, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenhaus/krankenhausreform/faq-krankenhausreform, zuletzt zugegriffen am 07.03.2024.

[7] Quelle: Bibliomed Pflege (2024): Pflegekräfte stärken durch Substitution, https://www.bibliomed-pflege.de/news/pflegekraefte-staerken-durch-substitution, zuletzt zugegriffen am 07.03.2024.

[8] Quelle: Pflegen online (2023): Was das Pflegekompetenzgesetz für Pflegekräfte bedeutet, https://www.pflegen-online.de/was-das-pflegekompetenzgesetz-fuer-pflegekraefte-bedeutet, zuletzt zugegriffen am 07.03.2024.

[9] Quelle: RedaktionsNetzwerk Deutschland (2023): Endlich mehr Befugnisse für die Pflege: Die „Halbgötter in Weiß“ haben ausgedient, https://www.rnd.de/politik/mehr-befugnisse-fuer-die-pflege-die-halbgoetter-in-weiss-haben-ausgedient-OAELTYKFGFA6DMRKIVL4GROEJE.html, zuletzt zugegriffen am 07.03.2024.