Beschäftigtenentwicklung

Pflegekräfte sind rar gesät und werden händeringend gesucht. Es gibt kaum ein Betreiber, der keine offenen Stellenausschreibungen vorzuweisen hat. Im Jahr 2022 wurde ein Defizit von 35.000 Pflegekräften dokumentiert.[1] Der Mangel an qualifizierten Fachkräften in Deutschland steigt rapide mit einer hohen Dynamik an.

Nicht nur die nicht besetzten Stellen sind ein Problem, sondern auch der fehlende Nachwuchs in der Pflege bereitet Sorgen. Laut statistischem Bundesamt gab es für das Ausbildungsjahr 2022 insgesamt 7 % weniger abgeschlossene Ausbildungsverträge als im Vorjahr.[2] Das sind keine rosigen Aussichten für die Pflegebetreiber.

Schätzungen zufolge könnten bis 2035 etwa 1,8 Mio. Arbeitsplätze im Gesundheitssektor unbesetzt bleiben, hinzukommt, dass jeder zehnte Eingewanderte Deutschland wieder verlässt. Grund hierfür sind die gegenwärtig gültigen Gesetze, welche die Hürden für die Zuwanderung von Nicht-Europäern so hoch setzen, dass es fast unmöglich und dazu noch sehr unattraktiv ist, nach Deutschland zu kommen.[3] Im Allgemeinen sind Pflege- und Gesundheitsberufe reglementiert, sodass sie eine Berufsausübungserlaubnis benötigen.

Für Pflegekräfte aus dem Ausland muss viel Zeit und Geduld aufgebracht werden. Ausreichend Sprachkenntnisse, berufliche Qualifikation und ein gültiger Arbeitsvertrag müssen vorab vorliegen, um eine Arbeitserlaubnis und Einreise nach Deutschland zu beantragen. Es kann bis zu zwei Jahre dauern, ehe eine Pflegekraft ihre Anerkennung in Deutschland erhält.[4]

Ablauf einer Anerkennung

Nach der Einreise in Deutschland muss ein Anerkennungsverfahren durchlaufen werden. In dieser Zeit sind die ausgebildeten Pflegefachkräfte aus dem Ausland nur als Hilfskräfte einsetzbar, dies kann bereits mehrere Monate in Anspruch nehmen.[5] Sie erhalten weniger Gehalt und müssen Aufgaben erledigen, die nicht ihrem Wissensstand entsprechen. Dem Betreiber fehlt so förmlich die eigentlich dringend benötigte Fachkraft. Dies sorgt für Frustration auf beiden Seiten.

Nach Prüfung der Unterlagen seitens der Behörden wird lediglich bei 7 % eine Anerkennung der Qualifikation ausgesprochen.[6] Der Großteil der Antragsteller muss einen Anpassungslehrgang durchlaufen und/oder anschließend die Kenntnisprüfung ablegen. Auch dies nimmt wieder einige Monate Zeit in Anspruch.

Die Wartezeiten für Antragsteller auf Anerkennung ihrer Berufsqualifikation unterscheiden sich je nach Bundesland. So müssen sich Gesundheits- und Krankenpfleger im Bundesdurchschnitt 77 Tage gedulden, bis ihr Antrag erstmalig beschieden wird.[7]

Im Juni 2023 hat die Regierung das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ verabschiedet und das „AufenthG“ reformiert. Das Gesetz greift aber nur sehr kurz. Die richtigen Probleme werden nicht berücksichtigt, wie z.B. lange und unterschiedliche Anerkennungsverfahren. Der deutsche Föderalismus führt zur 16 unterschiedlichen Anerkennungsverfahren. Teilweise sind Pflegekräfte in Bundesländern anerkannt, in anderen dann wiederum nicht. Für Betreiber, die in mehreren Bundesländern arbeiten, scheint es sehr unübersichtlich. Für Pflegepersonal, die ihren Standort wechseln möchten, stellt dies ebenfalls ein großes Problem dar. So reicht beispielsweise in Bayern ein Sprachniveau B1, in anderen Bundesländern wird B2 verlangt.

Außerdem gestaltet sich die Integration ausländischer Mitarbeiter als eine große Herausforderung. Es bedingt an Ansprechpersonen im Unternehmen, die sich um sie kümmern und im Sinne der sozialen Integration an ihnen festhalten, sodass sie nach ihrer Anerkennung dem Betrieb erhalten bleiben. Ausländische Mitarbeiter sind Anfeindungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens ausgesetzt, so zeigt eine aktuelle Umfrage.[8]

Sich unwohl und nicht willkommen in Deutschland zu fühlen, sowie die Familie zu vermissen, führt oftmals zu einer Rückkehr zurück in ihr Heimatland, obwohl sie hier händeringend gebraucht werden.[9]

Seit vielen Jahren wird über den Fachkräftemangel berichtet, allerdings wird wenig getan, um hier Abhilfe zu schaffen. Allein mit Mitarbeitern aus Deutschland wird sich dieses Problem nicht lösen lassen. Den Brancheninsidern ist klar, dass eine Verdoppelung der Anzahl der Pflegebedürftigen innerhalb von 10 Jahren auch zu einer sehr starken Erhöhung des Bedarfs an Pflegekräften führen wird. Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz von 2019 sah eine Finanzierung von 13.000 zusätzlichen Stellen in Pflegeheimen vor, von denen allerdings bisher nur 20 % neu besetzt wurden.

Trotz genannter Schwierigkeiten und Hürden scheinen immer noch Pflegekräfte nach Deutschland zu wollen, aber wie lange kann Deutschland im internationalen Wettbewerb noch mithalten?

Eine Antwort auf diese Frage bietet eine aktuelle Umfrage, die signalisiert, dass Deutschland immer unattraktiver für Pflegekräfte wird.[10]

Unsere Umfrage im Zeitraum von Juni bis Juli 2023 unter 50 teilnehmenden Betreibern aus der Branche belegt dies ebenfalls. Die Ergebnisse der Umfrage finden Sie hier.

Handlungsempfehlungen 

Unserer Ansicht nach muss die Politik zur Unterstützung der Unternehmen schnellstmöglich Lösungen finden. Mit einem eindringlichen Appell gehen aus unserer Umfrage folgende Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen hervor.

Um das medizinisch geschulte Personal effizient einsetzen zu können und Belegungstopps, welche mit Liquiditätseinbußen einhergehen, zu vermeiden, sollte eine Neuregelung der Fachkraftquote beschlossen werden. Dies beinhaltet auch eine Reform des Einsatzes von pflegerisch geschultem Hilfspersonal. PeBeM kann ein Anfang sein, allerdings fehlt es hier noch an praxistauglichen Umsetzungsvorschlägen.

Es gilt außerdem, die Hürden bei der Rekrutierung ausländischer Fach- und Hilfskräfte schnellstmöglich zu reduzieren. Der Föderalismus steht diesem im Weg, es bedarf einheitliche Regelungen auf Bundesebene. Alleingänge einzelner Bundesländer sind keine Hilfe. Nicht nur Rekrutierung, sondern auch Anerkennungsverfahren müssen vereinheitlicht und somit beschleunigt werden. Der derzeit geltende Bürokratieaufwand hemmt und führt nicht selten zu einer Heimkehr der Fachkräfte, noch ehe ihre Qualifikation anerkannt wurde.

Des Weiteren sollten Pflegekräfte aus Ländern mit einer gleichwertigen Berufsausbildung auch gleichwertig in Deutschland behandelt werden und gar nicht erst ein Anerkennungsverfahren beantragen müssen (Spanien, Frankreich, Philippinen).

Die Gehaltsuntergrenze der Blue Card auf 40.000 € herabzusetzen wäre eine sehr schnelle und effektive Maßnahme.

Die Politik scheint die Probleme nicht wahrzunehmen. Es empfiehlt sich, die Situation ernst zu nehmen, mit den Betreibern zu sprechen und ihnen zuzuhören. Um langfristige Versorgungssicherheit zu gewährleisten, bedarf es an Planungssicherheit für die Investoren. Ansonsten fehlen in den nächsten 25 Jahren nicht nur mehr als 100.000 Plätze Menschen in Pflegeeinrichtungen, sondern auch zahllose Pflegekräfte, die diese Menschen pflegen können.

Über die Autorin

Kristina Schröder

Durch meine vorangegangene Tätigkeit als Geschäftsführerin eines sektorübergreifenden Pflegebetreibers und mehr als sieben Jahre Erfahrung im Pflegesektor verfüge ich über umfassende praktische Einblicke, die es mir ermöglichen, Entwicklungen im Pflegemarkt praxisnah und fundiert für Sie zu analysieren und einzuordnen.

Quellenverzeichnis

[1] Quelle: ÄrzteZeitung (2023): In Alten- und Krankenpflege fehlten 2022 rund 35.000 Fachkräfte, https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Alten-und-Krankenpflege-fehlten-im-vergangenen-Jahr-rund-35000-Fachkraefte-438336.html, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.

[2] Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) (2023): 7 % weniger neue Ausbildungsverträge in der Pflege im Jahr 2022, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/07/PD23_295_212.html#:~:text= Wie%20das%20Statistische%20Bundesamt%20(Destatis,Ergebnisse%20vom%20April%202023%20best%C3%A4tigt, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.

[3] Quelle: Deutschlandfunk (2023): Ausländische Pflegekräfte.
Warum viele kommen und wieder gehen, https://www.deutschlandfunk.de/auslaendische-pflegefachkraefte-pflegenotstand-100.html, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.

[4] Quelle: pflege-online.de (2023): Anerkennung: 6 Tipps für Pflegekräfte und Arbeitgeber, https://www.pflegen-online.de/anerkennung-6-tipps-fuer-pflegekraefte-und-arbeitgeber#:~:text=Zwei%20Jahre%20%E2%80%93%20solange%20kann%20es,an%20die%20in%20Deutschland%20heranreicht, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.

[5] Quelle: BR24 (2023): Ausländische Pflegekräfte: „Ohne sie könnten wir zumachen“, https://www.br.de/nachrichten/bayern/auslaendische-pflegekraefte-ohne-sie-koennten-wir-zumachen,TdzaLB7, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.

[6] Quelle: kma Online (2022): Nur sieben Prozent der ausländischen Pflegekräfte anerkannt, https://www.kma-online.de/aktuelles/pflege/detail/nur-sieben-prozent-der-auslaendischen-pflegekraefte-anerkannt-48475, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.

[7] Quelle: Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag (2023): Die Pflege zukunftsfest machen, https://www.cducsu.de/sites/default/files/2023-10/PP%20Pflege.pdf, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.

[8] Quelle: Focus online (2018): Personalmangel in der Pflege: Doch ausländische Helfer sind wenig willkommen, https://www.focus.de/gesundheit/news/anfeindungen-und-hoeheres-arbeitspensum-personalmangel-in-der-pflege-doch-auslaendische-helfer-sind-wenig-willkommen_id_9375669.html, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.

[9] Quelle: Deutschlandfunk (2023): Ausländische Pflegekräfte. Warum viele kommen und wieder gehen, https://www.deutschlandfunk.de/auslaendische-pflegefachkraefte-pflegenotstand-100.html, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.

[10] Quelle: Care vor9 (2023): Deutschland bei ausländischen Fachkräften weniger attraktiv, https://www.carevor9.de/care-inside/deutschland-bei-auslaendischen-fachkraeften-weniger-attraktiv, zuletzt zugegriffen am 07.12.2023.